Ein ereignisreiches Jahr – Teil 3

Privat

Bei der Suche stellte sich heraus, das eine Heim hatte zwar noch Zimmer, aber keine Pflegekräfte in ausreichender Menge, dieses Heim wäre unser Wunschkandidat gewesen, da doch Opas jüngere Schwester bereits dort war.

Das andere Heim hatte eine Warteliste, länger als bis zum Mond, die nächsten Aufnahmestop…. Glücklicherweise hatte das Pflegeheim in Eichenau immer Kurzzeitpflegeplätze reserviert, für genau solche Fälle. Dort bekamen wir nach einigen Tagen einen Platz.

Damit das KH in Fürstenfeldbruck meinen Opa aber nicht einfach rauswarf, war es nötig, mit seiner Krankenkasse zu telefonieren, die mir eröffnete, daß es eine „Übergangspflege“ für pflegebedürftige Patienten gab, bei denen die Pflege nicht oder nur unter erheblichem Aufwand sichergestellt werden kann.

Zuständig dafür ist das zuletzt behandelnde Krankenhaus, es muß den Patienten solange behalten.

Nachdem ich die schriftliche Kostenübernahme per Mail mit dem betreffenden Gesetzestext ans Krankenhaus weitergeleitet hatte, in Kopie den Sozialdienst des Krankenhauses, ging mir die behandelnde Ärztin aus dem Weg und seither sprach ich nur noch mit den Schwestern.

Aber: Sie behielten Opa, bis er nach Eichenau konnte. Das Pflegeheim dort war wirklich super, und es hatte von den Räumlichkeiten, obwohl Pflegeheim, Ähnlichkeit mit einem Hotel. Es fing schon damit an, daß es eine Rezeption hatte, und die Kantine eher einem Café mit Kuchenausgabe glich. Helle, freundliche Räume und sehr nettes Personal.

Leider ging es Opa nach seiner Übersiedlung wieder schlechter, so daß ein weiterer Krankenhausaufenthalt nötig wurde.

Er wurde vom Notarzt abgeholt, als er gerade Besuch von seiner Nichte und deren Sohn und Schwiegertochter und Enkel hatte.

Als ich später versuchte herauszufinden, wohin sie ihn gebracht hatten, erzählte mir sein Hausarzt, das wisse er nicht genau, sein letzter Stand sei daß er nach Fürstenfeldbruck solle. Die wollten ihn aber nicht nehmen, aber der Krankenwagen hätte seines Wissens nach das Krankenhaus dort trotz deren Aufnahmeweigerung angefahren. Ich rief also in Fürstenfeldbruck an, dort war er aber nicht aufgenommen worden.

Ich rief den Notarzt an, da der Hausarzt gesagt hatte, die müssten wissen wohin die gefahren seien. Das durfte mir die Leitstelle aber nicht sagen, aus Datenschutzgründen. Habe ich schon erwähnt daß ich eine Vorsorgevollmacht für Opa hatte?

Es würden mir zwei Optionen bleiben, entweder ich würde beim Pflegeheim nachfragen, meistens wüssten die wo die Patienten abgeblieben seien, falls das nicht möglich sei, dann solle ich doch bitte zur Polizei gehen (!!!!) und mich dort ausweisen, die Polizei würde dann nach meinem Opa suchen, in welches Krankenhaus er gekommen sei.

Gott sei Dank funktionierte Option 1.

Er war in Dachau gelandet, natürlich hielt es niemand für nötig, mich darüber zu informieren.

Mein Opa magerte auch immer mehr ab, da er beim Essen über Bauchschmerzen klagte. Man hatte ihm den Magen bis auf ein kleines Stück entfernt bei der OP, und aus einer Darmschlinge einen künstlichen Magen gebaut. Seit der OP hatte er nichts mehr gegessen, er bekam Infusionen und obwohl ich Flüssignahrung in rauhen Mengen besorgt hatte, rührte er diese nicht an. Nicht mal als ich ihm mitteilte, sobald er wieder auf eigenen Beinen stehen könnte, würde ich ihm eine Pflegekraft für daheim besorgen damit er wieder nach Hause kann.

An diesem Zustand änderte sich in Dachau leider auch nichts, seine Entzündung war noch immer da und er klagte weiterhin über Bauchschmerzen. Mittlerweile war es September geworden und wir waren seiner Genesung keinen Schritt näher gekommen.

Ich bat die Schwestern zu vermerken, man solle mich anrufen, sobald er aus dem Krankenhaus wieder ins Pflegeheim käme. Sie notierten es. Wiesen aber darauf hin, daß in der Folgewoche keine Entlassung im Plan stehe, das könne noch dauern. Als ich Dienstag morgen anrief, es war mittlerweile fast Oktober, hieß es, man hätte ihn heute morgen in den Krankentransport gesetzt, er sei schon längst zurück im Pflegeheim.

Habe ich erwähnt daß ich auch hier nicht benachrichtigt wurde?

Ich eilte also wieder nach Eichenau, um ihn dort zu besuchen. Weiterhin meinte Opa, er könnte nichts essen und nichts trinken. Die Schwester sagte, es gäbe keinen körperlichen Grund, weshalb, er würde einfach alles wieder ausspucken kaum daß er etwas getrunken hatte.

Wenige Tage danach besuchte ich ihn mit meiner Cousine, seiner Nichte, wo uns Opa dann mitteilte es sei jetzt Schluß, er will nicht mehr, wir hätten lange genug einen Onkel und einen Opa gehabt. Er stellte dann auch Essen und trinken komplett ein, verweigerte jegliche Medikamente und starb dann Mitte Oktober.

Beerdigt wurde er erst Ende November, laut Bestatterin war das Arbeitsaufkommen noch höher als im Coronajahr zuvor.

Aber nicht wegen Corona, wegen anderer Todesursachen, es sei so viel Arbeit da wie nie zuvor, weshalb es auch mit der Beerdigung dauern könne.

Nach vielen Monaten Krankenhaus – Pflegeheim – Krankenhaus – Bestatter war ich wieder urlaubsreif, weshalb ich froh war, daß wir ein paar Tage Auszeit einige Monate zuvor für Ende Oktober gebucht hatten. Ich war froh für die Ablenkung, denn mit meinem Opa habe ich die letzte Bezugsperson aus der älteren Generation verloren. Nun gibt es noch einen Onkel der im Heim lebt, und dessen Betreuerin ich bin, meinen Bruder und besagte Cousine. Klar habe ich noch mehr Verwandte, aber da kaum Kontakt, und wenn jemand stirbt der schon immer da war, und von dem man dachte, er würde ewig leben, dann setzt einem das ziemlich zu.

Natürlich war klar, daß dieser Moment irgendwann kommen würde, aber nicht so schnell.

Der Urlaub tat uns dann auch gut, meinem Mann und mir der mir immer den Rücken gestärkt hatte und es noch immer tut (ohne ihn wäre ich aufgeschmissen), und seit November schlage ich mich mit verschiedenen Behörden rum, regle den Nachlass meines Opas und versuche nicht dauernd zu denken, daß er jeden Moment die Tür rein kommt wenn ich in seinem Haus bin um etwas zu erledigen, oder wenn ich auch nur durch den Ort fahre. Dann erwarte ich jeden Moment, seine Gestalt, gestützt auf seinen Stock, nebst Hut durch den Ort laufen zu sehen, um zu beweisen, daß er noch immer fit und voll da ist und sein Leben alleine meistern kann. Ich muß mir dann jedes Mal in Erinnerung rufen, daß er nicht mehr da ist, um über die Politik herzuziehen, oder auf jemanden zu schimpfen der es seiner Meinung nach verdient hat, und nicht lapidar „mir ist ja das wurscht“ zu sagen wenn er anderer Meinung ist und ihm die Argumente ausgehen.

Mein Opa war nicht immer einfach, aber er war eine feste Größe in meinem Leben, und ich gewöhne mich nur langsam daran, daß er nicht mehr da ist.

Und auch wenn ihr es nicht hören wollt, mein Rat an euch: Bleibt nach Möglichkeit gesund, versucht, jede Infektion zu vermeiden, denn ins Krankenhaus wollt ihr nicht. Dort seid ihr eine Nummer mit der man Geld verdienen kann, und selbst die motiviertesten und idealistischsten Ärzte und Pflegekräfte können den Personalmangel, der an allen Ecken und Enden herrscht, nicht auffangen.

Das ist auch sicher keine Böswilligkeit, aber unser Gesundheitssystem ist kaputt gespart.

Und egal ob es um Corona, Grippe, Magen-Darm-Infekte oder sonstwas geht, haltet euch von kranken Kollegen fern, ihr wisst nie, ob euch die „harmlose Grippe“ die der Kollege hat nicht selbst die Beine unter den Füßen wegzieht.

Fahrt vorsichtig, riskiert nichts.

Das Personal um euch adäquat zu versorgen, ist nicht da. Weder beim Hausarzt, der wegen Überlastung nur noch innerhalb 72 Stunden auf E-Mails antworten kann, noch beim ärztlichen Bereitschaftsdienst, der eigentlich gar nicht kommen darf wenn der Hausarzt geöffnet hat (unabhängig ob die Zeit für einen Besuch bei euch da ist oder nicht), noch beim Notarzt der entscheiden muß, ob er euch als Nächstes anfährt weil es wirklich dringend klingt oder ob er erst noch ein paar andere Stationen abfährt.

Und dabei ist es egal, ob ihr gesetzlich versichert seid, wie ich, oder privat, wie mein Opa. Er ruhe in Frieden.

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